Jeder, aber wirklich jeder, der schon einmal in Patagonien war und mit dem wir vor unserer Reise sprachen, erwähnte den unglaublichen Wind. Die meisten dieser Erzählungen beinhalteten an irgendeiner Stelle den Satz: "Der Wind ist so heftig, das könnt ihr euch überhaupt nicht vorstellen."
Und wie das so ist, es gibt Dinge, die man sich bis zu dem Zeitpunkt, an dem man sie selbst erlebt hat, tatsächlich nicht vorstellen kann.
Klar, jeder von uns kennt Wind, jeder kennt auch heftigen Wind. Aber hier ist das anders.
Irgendwann wird der Wind zum ständigen Begleiter, der unsere Entscheidungen mit beeinflusst, Handlungen mitbestimmt und uns, obwohl er doch (fast) immer da ist, ein ums andere Mal in seiner
Heftigkeit überrascht.
Beginnen wir mal mit dem Blaubärt, der ja schon sowieso nicht das windschnittigste Gefährt ist. Dauerhafter Seitenwind verstärkt durch heftige Böen zwingen den Fahrer oder die Fahrerin zum
permanenten Gegensteuern, was auf Dauer anstrengend ist und die Oberarmmuskeln trainiert (nein, der Blaubärt hat keine Servolenkung). Auch gilt es bei entgegenkommenden LKW oder Bussen schnell zu
reagieren, wenn die Gefahr besteht, dass sie einen ansaugen. An verschiedenen Übernachtungsplätzen haben wir es dann doch nicht gewagt, dass Dach aufzustellen und es damit dem Wind zu
opfern. Wir brauchen das Dach noch. Beim Fahren haben wir das Dach noch zusätzlich von innen gesichert, da es Abzuheben drohte. An manchen sehr windigen Stellen steigen wir nur durch die
Schiebetür ein und aus, da die anderen beiden Türen ohne weiteres vom Wind aus der Hand gerissen, umgeschlagen und abgerissen werden könnten. Andere haben davon berichtet. Und ohne Tür ist
vielleicht noch schlechter als mit zerstörtem Dach. Nachts werden wir dann oft mehr oder weniger sanft in den Schlaf geschaukelt, begleitet von einem Rauschen, Pfeifen oder Heulen... oder alles
im Wechsel.
Wenn wir zu Fuss unterwegs sind, gibt es Situationen, in denen es durchaus möglich und angebracht ist, den Oberkörper in eine um 45 Grad nach vorne geneigte Position zu bringen, ohne das
Gleichgewicht zu verlieren. Mist ist dies nur, wenn der Wind dann abrupt aufhört. Generell besteht immer die Gefahr im nächsten Moment von den Füssen gerissen zu werden, da der Wind in Böen kommt
und sich die Windrichtung auch sehr schnell ändern kann. Alles, was nicht ganz sicher fixiert ist, gilt es gut festzuhalten und auch das häufige An- und Ausziehen der Regenhose,
stellt eine Herausforderung dar. Der Wind führt u.a. eben auch dazu, dass Sonne, Regen und Wolken schnell wechseln.
Eines ist sicher, wir könnten noch so viel schreiben, um es sich vorzustellen, muss man es erlebt haben. Jedenfalls bekommt das Wort "Sturmfrisur" eine ganz andere Bedeutung.