Vino Argentino

Weinfelder so weit das Auge reicht und dies manchmal vor echter Andenkulisse. In der Region Mendoza wird der meiste Wein Argentiniens angebaut und in ca. 700 Kellereien weiterverarbeitet. Bei durchschnittlich über 320 Sonnentagen im Jahr entsteht da so manch guter Tropfen, doch braucht es in dieser Halbwüste auch eine stetige Bewässerung, sonst würde hier kein einziger Rebstock wachsen. Bewässerungskanäle hatten schon die Indianer, Wein wird seit ca. 400 Jahren angebaut ... wie könnte es anders sein, zunächst von den Jesuiten in dieser Region.

Heute ist Argentinien der fünftgrößte Weinproduzent der Welt, wobei ein Großteil der Produktion im Land verbleibt und die einheimischen Kehlen herunterrinnt.

Die letzten zwei Wochen haben wir 15km entfernt von der Stadt San Rafael auf einer für hiesige Verhältnisse kleinen Finca mitgearbeitet, auf der Weinfelder in der Größe von ca. 16-17ha bewirtschaftet werden. Dies schon mal vorweg: Der Rücken schmerzt vom Bücken, die Knie vom Stehen und auch die Arme sind zerkratzt.

Die Finca "The End", auf der wir diese Zeit verbracht haben, hat das argentinisch-deutsche Paar Nati und Leo vor etwa fünf Jahren gekauft und damit von dem Leben, das sie bis dahin geführt haben, Abschied genommen. Ihre Söhne Paul (3) und die Zwillinge Thomas und Sebastian (1) wurden bereits hier geboren. Außerdem gehören noch drei Hunde, zwei Katzen und 16 Hühner zur Farm.

Wir waren unbeschreiblich froh, als wir hier ankamen, denn der Blaubärt hat durchgehalten und wir haben ca. 1000km im dritten Gang bei 40km/h bis hierher zurückgelegt. Dass sich unsere Hoffnung auf eine erfolgreiche Reparatur hier in San Rafael oder in Mendoza nicht erfüllte, gehört zu einer anderen Geschichte.

Die erste Woche hatte die Weinlese noch nicht begonnen, doch zu tun gab es auch so genug, da das Farmhaus gerade erweitert worden war und außer Wein in dieser Gegend auch viel Obst wächst. So begannen die Arbeitstage nach dem Frühstück (mittlerweile) ungewohnt früh um 7:30 Uhr mit der Versorgung der Hühner. Holgers Aufgaben waren es zunächst, eine Wand zu streichen und eine Tür zu zimmern, während Dorit so an die 40kg Zwetschgen zu Zwetschgenmus und 80kg Tomaten zu Tomatensoße verarbeitete. Beides deckt den Bedarf der Familie für ein ganzes Jahr.  Weiter ging es die folgenden Tage damit, in einem neuen Zimmer einen Holzfußboden zu verlegen. Alles natürlich in Zusammenarbeit mit unseren Gastgebern, deren Arbeitstage weit länger waren als unsere.
Sechs Arbeitsstunden waren pro Tag für uns angesetzt und die heißen Temperaturen machten eine lange Mittagspause unabdingbar. Da wird einem schnell klar, dass die romantische Vorstellung von einem idyllischen Farmleben in weiten Teilen eine Illusion ist, wenn eine fünfköpfige Familie davon leben soll. So fielen wir manchen Abend nach dem super leckeren Abendessen, das Nati jeden Tag zubeitete, oft einfach nur noch in unser Bett.

Nach fünf Arbeitstagen kam das Wochenende und die Gelegenheit, sich San Rafael ein bisschen anzusehen. Eine schöne Stadt mit etlichen Parks und noch mehr Bodegas, in denen die vielen Trauben zu Wein werden. Klar, dass wir uns eine Besichtigung der ältesten Bodega der Stadt und die dazugehörige Weinprobe nicht entgehen lassen konnten.

Auch für uns begann dann die Weinernte und vier weitere junge Freiwillige aus Frankreich und Deutschland kamen hinzu. Zunächst war der Cabernet Sauvignon dran. Reihe für Reihe, Rebstock für Rebstock musste jede einzelne Traube abgeschnitten, in Eimern oder Körben gesammelt und zum Auto getragen werden: eine mühselige und eintönige Arbeit. Der Rücken schmerzt vom Bücken, die Knie vom Stehen und auch die Arme sind zerkratzt. Doch wenn mittags und abends das Auto hoch angefüllt mit Trauben war, zeigte sich ein klares Ergebnis. Insgesamt haben wir in der Woche (5 Tage) ca. 7000kg Wein gelesen. Leider wird auf der Finca selbst noch kein Wein gemacht (das hatten wir eingangs gehofft und uns gerne als Tester zur Verfügung gestellt), doch am letzten Tag konnten wir uns dann wenigstens ansehen wo "unser" Wein in der großen Bodega einer Kooperative weiterverarbeitet wird. Auch da schwindet dann die romantische Vorstellung einer traditionellen Weinproduktion, wenn hoch beladene, große und oft abenteuerlich alte LKW riesige Mengen an Trauben in Betonbecken schütten.

Zugegebenermaßen haben wir uns zwischendrin mehr als einmal gefragt, warum wir uns dies antun. Zudem  bestätigte uns Leo, dass wir mit Abstand die ältesten Freiwilligen in den letzten vier Jahren waren. Doch die Möglichkeit, ein bisschen Einblick in das Alltagsleben hier zu bekommen, vermittelt ein anderes Bild als nur touristische Highlights zu sehen. Wir können eine solche Zeit nur weiterempfehlen und es muss ja nicht die Weinernte sein. Workaway, das Portal, über das wir zu dieser Arbeit gekommen sind, bietet unglaublich viele unterschiedliche Arbeitsmöglichkeiten in vielen Ländern der Erde. Wir haben jedenfalls schon einen weiteren Arbeitsaufenthalt organisiert, der sicher ganz anders sein wird. 

Aber das ist dann auch eine andere Geschichte.