Delta Unplugged - Leben im Tigre-Delta

Manche Menschen leben ein außergewöhnliches Leben, weil sie an einem außergewöhnlichen Ort wohnen. Auf Ana und Ralph, bei denen wir gut zwei Wochen gewohnt und auch ein bisschen gearbeitet haben, trifft dies mit Sicherheit zu. Sie leben mit ihrem fünfjährigen Sohn Octavio im Tigre-Delta ca. 40 km nördlich von Buenos Aires. Dieses riesige Delta des Rio Paraná ist  20.000km² groß und umfasst unzählige Inseln. 

Es ist insofern ungewöhnlich, da es nicht ins Meer sondern in den Rio de la Plata, also einen weiteren Fluss mündet. Dabei wächst es durch Sedimentablagerungen immer weiter, so dass neue Inseln entstehen. Die Insel, auf der wir waren, existierte noch gar nicht als die ersten spanischen Eroberer in diese Gegend kamen. Sie ist gerade mal 300 Jahre alt.

Im Delta sind alle Inseln nur per Boot erreichbar, Straßen gibt es keine, weder zu noch auf den Inseln. Die gesamte Versorgung und das soziale Leben werden mit Booten organisiert. Es gibt das "Supermarktboot", das dreimal die Woche als schwimmender Laden vorbeikommt oder das Schulboot, das die Kinder zu den Schulen im Delta bringt oder das öffentliche Linienboot, das sozusagen den Bus ersetzt.

Zu Ana und Ralph sind wir für einen sogenannten Workaway Stay gekommen, also Unterkunft und Verpflegung gegen Mithilfe bei anfallenden Arbeiten, so wie wir es auch schon auf der Wein-Finca in San Rafael getan haben. Wir sind selten so herzlich und offen aufgenommen worden. Die beiden, Ana ist Argentinerin und Ralph Schweizer, bieten "kulinarische Bootstouren" für Touristen an (www.delta-unplugged.com.ar). Die Familie lebt auf einem Gelände, das früher ein Club war, in dem z. B. Hochzeiten oder andere Feiern ausgetragen wurden. Von den Gebäuden, die ca.1880 gebaut wurden, sind ein paar noch erhalten wie z.B. die große Küche, in der Ralph super leckere Dinge zaubert. Ralph ist nämlich Koch. 

Auch wir sind in einem der alten Gebäude untergebracht, in unserem Badezimmer befinden sich sogar noch die Originalfliesen von damals. Wirklich schön!

Die einzelnen Gebäude sind mit einer großen Terrasse verbunden. Die wird nicht nur von uns genutzt, sondern jeden Tag kommen auch viele Kolibris - diese erstaunlichen kleinen Vögel, die aufgrund ihres enorm schnellen Flügelschlags in der Luft stehen können. Aber auch andere besondere Vogelarten sind unter den täglichen Besuchern.

 

Dass die Bewohner der Inseln im Tigre-Delta eine recht eingeschworene Gemeinschaft sind, erfahren wir schnell. Denn Ana und Ralph nehmen uns, per Boot versteht sich, mit zu einer Milonga, einer privaten Tangoveranstaltung oder zu Festen bei ihren Freunden. Jeder scheint jeden zu kennen.

 

Auch bei einer der Bootstouren auf dem schönen Holzboot sind wir dabei. In den fünf Stunden sehen wir auf kleinen und größeren Flüssen und begleitet von vielen Eisvögeln einen Bruchteil dieser wunderschönen Landschaft. Durch Anas Wissen und ihre vielen Erläuterungen bekommen wir zumindest eine Ahnung, wie groß und vielfältig dieses Delta tatsächlich ist. Außerdem lässt Ralphs Lunch auf dieser Tour keine Wünsche offen.

Unsere Arbeit besteht in einigen Aufräum- und Gartenarbeiten und Holger repariert Tische und Schränke. Dorit lernt wie man Empanadas macht. Insbesondere die Repulgue, d.h die kunstvolle Art, diese Teigtaschen zu verschließen, will gelernt sein. Aber Übung macht ja bekanntlich den Meister.

 

Mittlerweile sind wir aber hier in Argentinien deutlich im Spätherbst angekommen und so regnet es doch viel, wobei es aber immer noch recht warm ist. Dies schränkt unsere Möglichkeiten doch sehr ein und wir erleben auch eine der Überschwemmungen, die hier zum Alltag gehören, weil sie jeden Monat vorkommen. Nun ist klar, warum alle Häuser auf Stelzen gebaut sind, das gesamte Grundstück steht unter Wasser. Allerdings ist nicht der Regen der Auslöser dieser Überschwemmungen, sondern der Südwind, der dazu führt, dass das Wasser des Rio de la Plata ins Delta gedrückt wird.

 

Viele Facetten des besonderen Lebens hier bekommen wir zu sehen und kommen selber dabei ein bisschen zur Ruhe.