"Wir in Québec sind anders", betonte Suzanne zum wiederholten Male als wir sie besuchten. Suzanne hatte uns schon mit ihren Freundinnen in Montreal unter ihre Fittiche genommen, lebt selbst aber nicht in Montreal, sondern ca. zweieinhalb Autosstunden (für uns eher vier) nördlich auf dem Land. Soweit wir das mit unserer eingeschränkten Kanadaerfahrung beurteilen können, hat sie recht.
Zumindest ist in der Provinz Québec für ca. 90% der Einwohner Französisch Muttersprache und es gibt anders als in den anderen Provinzen Wein und Bier im Supermarkt zu kaufen und zwar zu
akzeptablen Preisen. Das mit der Sprache stellte für uns beide, die unsinnigerweise Latein in der Schule gelernt haben, glücklicherweise kein Problem dar, denn die meisten Québecer können sehr
schnell, sprich noch im gerade gesprochenen Satz, auf Englisch umschalten. Und der einfache Erwerb von Wein und (gekühltem) Bier war an manchen Abenden eine echte Erleichtung, da der Kühlschrank
des Blaubärt nicht der leistungsstärkste ist und er nach einem richtigen schönen Sonnentag das Bier eher lauwarm herausgibt. Doch auch das nicht alkoholische Angebot im Supermarkt läßt in Québec
den französischen Hintergrund erahnen, jedenfalls ist die Käsetheke besser sortiert und geht weit über das Standardangebot an Cheddar im Block und Frischkäse hinaus. Und tatsächlich hat die
zentral gelegene Provinz Québec, in der immerhin 8,4 Mio oder 23% der Gesamtbevölkerung Kanadas beheimatet sind, in vielem einen Sonderstatus. So ist z.B. die Rechtssprechung hier an die
französische angelehnt, während in den anderen Provinzen die englische Rechtssprechung als Vorbild galt. Kein Wunder, dass es bis in die jüngste Vergangenheit immer wieder Abspaltungsversuche
gab.
Nach dem Besuch der Halbinsel Gaspésie fuhren wir zunächst nach Québec City, wie die Einwohner der englischsprachigen Provinzen sagen, um die Provinz Québec von ihrer gleichnamigen Hauptstadt zu
unterscheiden. Hier wird das französische Erbe besonders hoch gehalten. Es gibt eine Altstadt mit verwinkelten Gassen, die stark an französische Städte erinnert. Allerdings ist alles so für
Touristen hergerichtet, dass es uns schon wieder unwirklich erschien.
Da waren die Tage, die wir bei Suzanne verbracht haben, doch ganz anders. Sie lebt so, wie wir uns vorstellen, dass Kanadier leben: in einem kleinen Haus im Wald direkt an einem See mit Kanu und
Boot. Ein Platz, an dem auch wir uns gut ein Leben vorstellen konnten. Suzanne hatte sich wieder ein volles Programm für uns überlegt, doch wir waren froh, ein paar Tage nicht unterwegs zu
sein. Und zu tun gab es auch so genug. Nach dem morgendlichen Bad im See haben wir in den vier Tagen gemeinsam das Kanu abgeschliffen und gestrichen, Holz für den Winter gestapelt, Fenster und
den Ofen repariert und viel und gut gegessen und gelacht.
Aber dann mussten wir doch weiter. Aber wer weiß, vielleicht kommen wir im nächsten Jahr auf unserem Rückweg noch einmal vorbei.