Überall lasen wir: "Fansipan-Travel" oder "Fansipan-Adventure" oder "Fansipan-...". Es drängte sich die Frage auf: " Wer oder was ist Fansipan?"
Trotz seiner knapp 3.500km langen Küstenlinie hat Vietnam auch hohe Berge zu bieten. Der Fansipan im Yunnan-Gebirge im äußersten Nordwesten des Landes ist mit 3.143m nicht nur der höchste Berg Vietnams, sondern auch Indochinas, wie die drei Länder Kambodscha, Laos und Vietnam seit der französischen Kolonialzeit genannt werden.
Ausgangsort für die Besteigung des Fansipan ist Sapa, das wir nach einer 12-stündigen Nachtbusfahrt erreichten. Früher einmal ein kleines Bergdorf, ist Sapa heute für einheimische wie ausländische Touristen Anziehungspunkt, um Vietnams Bergland mit Reisterrassen und den dort ansässigen Bevölkerungsgruppen zu sehen. Es ist einer der kältesten Orte in Vietnam und der einzige, an dem in Ausnahmefällen auch einmal Schnee fällt.
Angesichts dieser Mischung gibt es hier einige überaus skurrile Dinge. Es ging damit los, dass wir morgens um 6:00 Uhr nach besagter Fahrt im vollgepackten Nachtbus im wahrsten Sinne des Wortes "gerädert" aus dem Bus krochen und uns sofort ein Geschwader von Frauen mit den Worten belagerte: "Do you want to book a trekking tour?" ("Wollt ihr eine Trekkingtour buchen?") Uns schien dies angesichts unserer Verfassung und der morgendlichen Stunde, in der wir und auch die Dämmerung gerade mal mühsam die ersten Schritte machten, doch etwas unpassend. Die ganze Szenerie wirkte so, dass wir irgendwo eine versteckte Kamera vermuteten. Als weitere Kuriositäten dieses Ortes lässt sich z.B. noch ein überdimensioniertes Einkaufszentrum und Hotel im Stil eines Schlosses erwähnen oder der Schneegang, in dem sich Besucher am Wochenende gegen ein nicht unerhebliches Entgelt auf einer Strecke von maximal 10m mit künstlichem Schnee berieseln lassen können, wobei ihnen ein großer Weihnachtsmann zusieht (auch Mitte März). Tja, der Tourismus treibt an vielen Orten eigenartige Blüten, doch die Massen, die hier am Wochenende mit Bussen oder stattlichen Karossen einfallen, sind begeistert. Ansonsten gibt es Restaurants, Hotels, Souvenir- und Trekkingläden und alles andere, was Touristen vermeindlich brauchen.
Trotzdem haben wir einige Tage in Sapa verbracht, denn wir hatten uns zwei Dinge vorgenommen: eine dreitägige Motorradtour und die zweitägige Besteigung des Fansipan. Für den Spaß an beiden Aktivitäten ist das Wetter entscheidend und so warteten wir nach unserer Ankunft zwei Tage in Sapa ab, denn wenn es nicht in Strömen regnete, war es so vernebelt, dass wir buchstäblich die Hand vor Augen nicht sehen konnten.
Die Motorradtour führte uns dann in eine ganz andere Welt: Keine Touristen, kleine, aber recht gute Straßen, tolle Landschaft. In Vietnams Bergen wohnen die meisten Menschen, die ethnischen Minderheiten angehören, z.B. die Hmong. Sie kommen in die größeren Dörfer auf die Wochenmärkte, um ihre Waren anzubieten und sich mit allem Notwendigen einzudecken. Wir waren erstaunt, wie viele von ihnen, insbesondere die Frauen, noch die traditionelle, farbenfrohe Kleidung tragen, auch wenn häufig der Motorradhelm als Kleidungsstück hinzugekommen ist.
Und dann, gleich nach unserer Rückkehr, kam die Fansipan-Tour. Gemeinsam mit sechs anderen ging es den ersten Tag zunächst durch dichten Wald steil bergauf. Obwohl der Weg besser war als erwartet, galt es einige Stellen mit Leitern und mit Einsatz der Hände zu überwinden. Der Schweiß läuft in Strömen.
Dorit: "Warum tun wir und das an?", Holger: "Weiß nicht!"
Schon am frühen Nachmittag erreichen wir die Hütte, viel zu früh, denn dort ist es windig und kalt und es gibt nichts zu tun. In mehreren mit Holzbrettern abgetrennten "Zimmern" könnten hier bis zu fünf Leute auf Holzbrettern schlafen, wenn denn Schlaf möglich wäre. Denn hier auf 2800m wird es doch bitterkalt, es stürmt und die vom Veranstalter gestellten Schlafsäcke erinnern uns mit ihrer Form und Füllung an 70er-Jahre Camping. Doch dem Geruch nach zu urteilen, könnten sie auch gänzlich aus den 70er-Jahren stammen. Definitiv geht ihr Wirkungsgrad in Sachen Wärme gegen null und so ziehen wir alle verfügbaren Klamotten an (inklusive Mütze und Handschuhe) und zittern uns durch die Nacht bis um 4:00 Uhr morgens der erlösende Weckruf kommt.
Holger: "Warum tun wir uns das an?", Dorit: "Weiß nicht!"
Nach einem Nudelsuppenfrühstück, das in dieser Herrgottsfrühe nicht so recht durch die Speiseröhre will, geht es noch einmal anderthalb Stunden steil bergauf und gerade mit dem Sonnenaufgang erreichen wir den Gipfel, der in den vergangenen Jahren mit Tempeln, Buddhafiguren und einer Seilbahn zugebaut wurde.
Schön ist es trotzdem, denn die Seilbahn fährt noch nicht, es sind nur die hier oben, die den Weg zu Fuß gemacht haben. So bewundern wir, wie die Sonne langsam die Figuren beleuchtet und die umliegende Landschaft mehr und mehr sichtbar wird. Wir wären gerne noch länger geblieben, aber Gruppentour ist Gruppentour.
Schon bald sind wir wieder auf dem Rückweg, merken beim Abstieg nicht nur die durchfrorene Nacht, sondern irgendwann auch die unzähligen steilen Stufen und Absätze in unseren Knien.
Schön, das Hotel hat einen Aufzug und eine fantastisch heiße Dusche.
"Warum tun wir uns das an?", "Weil wir eben so sind, wie wir sind!"